Ist ein kurzer Blick aufs Navi schon grob fahrlässig?

10. Jul 2014 | Kfz

Der Fahrer eines Mietwagens hatte sich kurz von seinem Navi ablenken lassen, weil er eine ankommende Sprachmeldung beachtete. Er kam durch die Ablenkung von der Straße ab und verursachte einen Unfall mit 15.000 Sachschaden. Der Autovermieter wollte vom Unfallverursacher die Hälfte des Schadenswertes ersetzt haben.

ablenkung-fahrer-navigation © Fotolia.com

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Begründung: Der Fahrer des Fahrzeugs hätte nach seiner Ansicht und der des Versicherers grob fahrlässig gehandelt.

Wie das Gericht die Sache sah

Wie im Versicherungsbote nachzulesen, hat das Landgericht Osnabrück unter Az.: 1 O 785/13 anders entschieden: Ein kurzer Blick auf das Navi im Auto ist dem Fahrer durchaus gestattet. Es ist keine grobe Fahrlässigkeit, wenn ein Kraftfahrer während der Fahrt kurz einen Blick auf sein Navi wirft. Es sei denn: Die aktuelle Verkehrssituation erfordert die volle Aufmerksamkeit des Fahrers.

Die Navigationssysteme im Auto sind extra dafür gedacht, dass sie dem Fahrer die Orientierung in einer fremden Umgebung erleichtern. Passiert ein Unfall, weil der Fahrer sich kurz nicht auf den Verkehr, sondern auf sein Navi konzentriert, kann das den Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung in Gefahr bringen. Das Wörtchen "kann" hat hier eine entscheidende Bedeutung: Es kann so sein, muss es aber nicht automatisch. Denn das Landgericht Osnabrück entschied: Ein kurzer Blick auf das Navi darf nicht gleich zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.

Ein Urteil zugunsten der Autofahrer

Ein kurzer Blick auf das Navi stellt keine grobe Fahrlässigkeit dar. Damit hat, wie der ADAC berichtet, das Landgericht in Osnabrück zugunsten des Autofahrers entschieden. Der Kaskoversicherer der Mietwagenfirma muss den entstandenen Sachschaden am Unfallfahrzeug allein in vollem Umfang ersetzen.

Das richtungsweisende Urteil des Landgerichtes wird vielen Autofahrern zur Erleichterung führen, die regelmäßig ihr Navigationssystem zur Orientierung im Straßenverkehr nutzen. Sie gefährden ihren Versicherungsschutz damit nicht automatisch: Die jeweilige Verkehrssituation ist zu berücksichtigen. Anders sieht es im folgenden Fall aus:

Nutzung Smartphone / Mobiltelefon als Navigationshilfe

Das Telefonieren mit dem Handy ist beim Autofahren Tabu, sofern man das Gerät in der Hand halten muss. Dies wissen die meisten Bundesbürger. Doch wie sieht es aus, wenn man nur mal schnell aufs Navi schauen will, um die richtige Adresse zu finden? Mit dieser Frage musste sich aktuell das Oberlandesgericht Hamm beschäftigen.

Im verhandelten Rechtsstreit wurde ein Mann von der Polizei gestoppt, weil er während der Fahrt ein Smartphone in der Hand gehalten hatte. Als er 40 Euro Bußgeld zahlen sollte, sagte der Autofahrer jedoch aus, er habe gar nicht telefonieren wollen. Stattdessen habe er nur für wenige Sekunden auf sein Navi geschaut, weil er dringend eine Werkstatt gebraucht habe und nicht ortskundig gewesen sei.

Polizeikontrolle Handy am Steuer

Polizeikontrolle Handy am Steuer

Eine Rechtsbeschwerde des Mannes gegen das Bußgeld hatte jedoch keinen Erfolg. Die Richter verwiesen auf Paragraph 23 Absatz 1 A der Straßenverkehrsordnung, wonach Telefone nicht benutzt werden dürfen, „wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.“ Dies gelte für jede Form der Nutzung – also auch, wenn man auf das Navi schauen oder es gar einstellen will. Schließlich muss der Fahrer beide Hände am Lenkrad platzieren und sich auf den Verkehr konzentrieren können (Az.: 1 RBs 232/14 externer Link).

Wer beim Autofahren die Hände nicht vom Smartphone lassen kann, riskiert auch seinen Schutz durch die Kaskoversicherung, sofern ein Schaden am eigenen Auto entsteht. Dies gilt zumindest dann, wenn laut Versicherungsvertrag bei „grober Fahrlässigkeit“ kein Schutz vorgesehen ist oder nur eine begrenzte Höchstsumme ausgezahlt wird. Allerdings leisten immer mehr Kfz-Versicherer ohne Einschränkung. Hier muss im Versicherungsvertrag nachgelesen werden, welche Leistung vereinbart ist.

Hände weg vom Smartphone

Hände weg vom Smartphone

Die Kfz-Haftpflicht reguliert den Schaden hingegen auch bei grober Fahrlässigkeit. Das ist gut zu wissen – denn für Schäden, die man Dritten zufügt, kommt der Versicherer auf. Besser aber, wenn erst gar kein Unfall passiert. Deshalb gilt: Wer sein Navigationsgerät einstellen will, sollte sich eine Haltemöglichkeit suchen und einen kurzen Stopp einlegen. Wenn das Fahrzeug steht und der Motor ausgeschaltet ist, darf man das Navi mit den Händen bedienen – auch die Polizei hat nichts dagegen einzuwenden. (Mirko Wenig) (kadupo)


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