Erbennachlass: Pflichtteilsauskunft – Nachlassaufstellung mit Recht auf Akteneinsicht

11. Sep 2011 | Familie & Freizeit

Das Thüringer Oberlandesgericht stellt in seinem Beschluss vom 09.08.2011 (Aktenzeichen 6 W 206/11) fest, dass das Recht auf Akteneinsicht auch die Nachlassaufstellung umfasst, da der Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse daran hat, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.

Recht auf Akteneinsicht

recht-erbennachlass-pflichtteilsauskunft © Fotolia.com

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Das Recht auf Akteneinsicht schließt die Nachlassaufstellung ein. – Diese Entscheidung kann zur Erweiterung der Pflichtteilsauskunft beitragen und führt letztendlich zu einer größeren Transparenz
im Hinblick auf den Erbennachlass.

Entscheidungsmaßgebender Sachverhalt
Die Erblasserin, dessen Ehegatte vorverstarb, hatte zwei Kinder und setzte durch öffentliches Testament ein Kind zum Alleinerben ein. Das Nachlassgericht hatte dem Begünstigten antragsgemäß einen Erbschein erteilt, der ihm bescheinigt, dass er die Erblasserin aufgrund testamentarischer Erbfolge allein beerbt. Das im Testament nicht vorgesehene Kind hatte mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten Einsicht in die Nachlassakte beantragt. Das Nachlassgericht hatte die Akteneinsicht bewilligt. dabei allerdings das Nachlassverzeichnis ausdrücklich von der Akteneinsicht ausgenommen. Der Verfahrensbevollmächtigte wies darauf hin, dass er die Einsicht in die vollständige Nachlassakte einschließlich des Nachlassverzeichnisses begehre. Das Nachlassgericht legte das letzte Schreiben des Bevollmächtigten als Beschwerde aus, half dieser nicht ab und legte die Angelegenheit dem Senat zur Entscheidung vor.

Begründung der Entscheidung

Da die Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch nach § 13 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) kein Akt der Justizverwaltung sei, sondern in richterlicher Unabhängigkeit durch das verfahrensführende Gericht getroffen werden würde, richte sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung grundsätzlich nach den Vorschriften des FamFG (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 2009, § 13, Randnummer 64). Gemäß § 13 Absatz 1 FamFG stand dem Beschwerdeführer, dem im Testament nicht begünstigten Kind bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigen, ein Recht auf Akteneinsicht zu.

Von diesem Recht sei die Nachlassaufstellung nicht ausgenommen. Der Beschwerdeführer habe als Pflichtteilsberechtigter ein berechtigtes Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen, weil dies sein Vorgehen gegen den Erben und Pflichtteilsschuldner beeinflussen könne. Zur Informationsbeschaffung könne auch die im Rahmen des Erbscheinverfahrens von dem Erben gefertigte Nachlassaufstellung dienen. Dies ist der Pflichtteilsauskunft zuträglich. Dass diese Aufstellung ursprünglich für einen anderen Zweck, die Ermittlung des Geschäftswertes, vom Nachlassgericht verlangt und vom Erben erstellt wurde, stehe einem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen.

Dem Einsichtsrecht des Beschwerdeführers stehe auch nicht entgegen, dass dieser andere Möglichkeiten habe, sich Kenntnis über den Nachlassbestand zu verschaffen. Das berechtigte Interesse sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Informationen auch auf andere Weise beschafft werden könnten, zumal die gerichtliche Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Kosten verbunden sei. Darüber hinaus sei ein schutzwertes Interesse des im Testament Begünstigten, die Nachlassaufstellung von der Akteneinsicht auszunehmen, nicht zu erkennen. Der Beschluss des Nachlassgerichts wurde aufgehoben und dem Beschwerdeführer die von ihm beantragte Einsicht in die Nachlassakten in vollem Umfang gewährt.

Praxisrelevante Bedeutung

Unter Berufung auf diese gerichtliche Entscheidung kann der jeweilige Pflichtteilsberechtigte im Hinblick auf den Erbennachlass stets auch in das Nachlassverzeichnis einsehen.


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